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Szenen aus „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard
Moritz Schell
„Der Theatermacher“

Hartmanns Rückkehr, Föttingers Abschied

Elf Jahre nach dem Burgtheater-Skandal kehrt Matthias Hartmann nach Wien zurück. Allerdings nicht an jenes Haus, das er unfreiwillig verlassen musste. Der deutsche Regisseur inszeniert „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard am Theater in der Josefstadt auf Einladung von Direktor Herbert Föttinger, der in seiner Abschiedssaison selbst in der Titelrolle auf der Bühne stehen wird. Premiere ist am Donnerstag.

Ein Theaterdirektor engagiert einen ehemaligen Theaterdirektor, um ein Stück aufzuführen mit dem Titel „Der Theatermacher“: Das hat symbolischen Mehrwert, zumal der Theaterbetrieb im Stück ordentlich durch den Kakao gezogen wird. „Kunst, Kunst, Kunst!“, ruft Föttinger als Theatermacher Bruscon aus. „Hier wissen sie ja gar nicht, was das ist! Wohin man schaut doch nur Hässliches.“

Die Uraufführung bei den Salzburger Festspielen 1985 wirbelte viel Staub auf – wie von Bernhard und dessen Kollaborateur beabsichtigt. Regisseur Claus Peymann hatte angekündigt, er werde mit „700 bis 800 Fliegen“ und „Kübeln voller stinkendem Schweinetrank“ in verschiedenen Bereichen des Salzburger Landestheaters einen Misthaufen auf der Bühne so realistisch wie möglich erscheinen lassen.

Szenen aus „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard
Moritz Schell
Theatermacher Bruscon (Föttinger) monologisiert mit Verachtung über die Provinz

Ministerielle Psychiatrieempfehlung

Die für Bernhard übliche Österreich-Schelte tat ihr Übriges: Ein Theaterskandal war angerichtet, wie ihn die damalige Öffentlichkeit nur zu gern zelebrierte. Franz Vranitzky (SPÖ), damals Finanzminister, warf Bernhard vor, sich unter „Einstreifen guter Steuerschillinge die eigene Verklemmung vom Leib zu schreiben“, und Unterrichtsminister Herbert Moritz gab vor laufenden ORF-Kameras gar eine Art Psychiatrieempfehlung für Bernhard ab.

Heute ist „Der Theatermacher“ ein Klassiker der Nachkriegsliteratur und eines der meistgespielten Stücke Bernhards. Auch das Theater in der Josefstadt hat dem einstigen Gott-sei-bei-uns der Nation längst verziehen. „Der Theatermacher“ stand in der Josefstadt von 2006 bis 2020 auf dem Spielplan, mit Otto Schenk in der Titelrolle.

Szenen aus „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard
Moritz Schell
Bruscon tyrannisiert seine Tochter (Larissa Fuchs), den Sohn (Oliver Rosskopf) und den Wirt von Utzbach (Martin Zauner) aufs Blut

Föttinger und sein „selbstironischer Coup“

Jetzt also gibt Direktor Föttinger den frustrierten und gescheiterten Theatermenschen. Das Theatermagazin „Die Bühne“ spricht von einem „selbstironischen Coup“, was noch milde formuliert ist: Bruscon ist ein frauenfeindlicher Machtmensch, der vor nichts zurückschreckt, wenn es darum geht, seiner Frau und den Schauspielern seinen Willen aufzuzwingen – Vorwürfe, die sich in ähnlicher Form auch Direktor Föttinger gefallen lassen musste.

Im „Standard“ sind anonymisierte Beschwerden veröffentlicht worden, die dem oft polternd auftretendem Theaterchef entsprechende Vorwürfe gemacht und von einer „Kultur der Angst“ gesprochen haben. Unter anderem soll Föttinger Mitarbeitenden mit „Existenzvernichtung“ gedroht haben – eine Vokabel wie aus dem Thomas-Bernhard-Universum.

Überkommene Machtstrukturen

Die Vorwürfe lösten eine breite Debatte aus, einmal mehr ging es um die überkommenen Machtstrukturen im Theaterbetrieb. „Ich würde nie einen Schauspieler beleidigen wollen“, erklärte Föttinger damals gegenüber der APA. „In einem Probenprozess kann schon mal passieren, dass sich ein Schauspieler beleidigt fühlt. Denn es ist schon ein mühsamer Weg zum Ziel, da kann jeder kleinste Satz Unglaubliches auslösen.“

Ein Prüfbericht stellte schließlich „strukturelles Versagen“ der Josefstadt-Leitung fest, personelle Konsequenzen gab es keine. Föttinger wird sein Amt wie geplant im Sommer 2026 an die St. Pöltner Theaterdirektorin Marie Rötzer übergeben – auf weitere Regiearbeiten am eigenen Haus verzichtet er.

Szenen aus „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard
Stefan Fürtbauer/BÜHNE
Föttinger holte in seiner Abschiedssaison noch Hartmann zurück nach Wien

„Ins Burgtheater gehe ich nicht hinein“

Und so kommt Hartmann zum Zug, der mit „Immanuel Kant“ am Burgtheater bereits Bernhard-Kompetenz bewiesen hat. Es ist ein Comeback nach über zehn Jahren Wien-Abstinenz. Bisher habe er nicht mehr nach Wien zurückkommen wollen, sagt er in der aktuellen „Bühne“, die Verletzungen seien zu stark gewesen. „Jetzt wo ich da bin, wundere ich mich über mich selber. Es hat sich alles vollkommen aufgelöst. Nur ins Burgtheater gehe ich nicht hinein. Das mache ich nicht.“

Hartmann wurde im März 2014 vom damaligen Kulturminister Josef Ostermayer entlassen. Im Zuge des Skandals wurden Buchführungsmanipulationen und Budgetüberschreitungen in Millionenhöhe festgestellt. Die ehemalige kaufmännische Leiterin Silvia Stantejsky wurde wegen Betrugs und Untreue verurteilt.

Hartman betonte stets, nichts gewusst, sondern vielmehr selbst versucht zu haben, den Malversationen auf die Spur zu kommen, wie er in seinem im Vorjahr erschienenen autobiografischen Buch „Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt“ detailliert ausführte. Hartmann schloss mit der Bundestheater-Holding einen außergerichtlichen Vergleich und sieht sich heute „vollständig rehabilitiert“. Der langjährige Holding-Chef Georg Springer wechselte vorzeitig in die Pension.

„Misogyne Tiraden nicht mehr akzeptabel“

Ob sich Hartmann mit seiner Neuinszenierung am Theaterbetrieb rächen wird? Thomas Bernhard gäbe ihm jedenfalls das nötige Vokabular dazu in die Hand. Dazu kommen dürfte es wohl nicht. Wichtig seien ihm Bernhards musikalische Sprache und weniger dessen Provokationen, so Hartmann.

Es sei an der Zeit, zu Bernhards Texten auf Distanz zu gehen, die misogynen Tiraden seien nicht mehr akzeptabel: „Früher konnte man noch darüber lachen“, so Hartmann. „Heute klingt alles noch ekliger und widerwärtiger.“ Wie auch immer die Inszenierung bewertet werden wird: Es wird ein Theaterabend, dem es an Bedeutungsebenen nicht gerade mangelt.